Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
FERT5CH! - Spaßjongleure MTS live bei Hengstmanns 27.10.2023 Die Helden meiner wilden Jahre verabschieden sich, einer nach dem anderen, entweder viel zu früh in den Rocker- Himmel oder in den Ruhestand. Für einen, der sie schon in jungendlichen Beat-Jahren auf den Bühnen erleben durfte oder später mit ihnen Konzerte organisierte, ist das ein komisches Gefühl. Mit so einem komischen Gefühl sitze ich am Abend im Kabarett „nach Hengstmanns“ im Magdeburger Nordabschnitt. MTS zelebrieren ihre allerletzte Tour, um sich von den Fans zu verabschieden. Diesmal, so scheint es mir, meint es MTS - Spaßjongleur Thomas Schmitt tatsächlich ernst. Deshalb nutze auch ich die Chance, das verbliebene Duo noch einmal live zu erleben, ehe die beiden „FERT5CH!“ sagen. Das erste Mal sah ich das Trio M elzer, T reichel, S chmitt live im Pionierhaus von Elsterwerda, als eines meiner ersten selbst organisierten Konzertevents ( HIER ). Damals war die alte Hütte auch schon brechend voll und die Stimmung grandios. Ich sah sie danach immer wieder einmal, wenn sie in der Nähe auftraten, in unterschiedlichen Konstellationen, einschließlich der mit Mike, dem „letzten Kunden“. Nun also sind schon fünfzig Jahre voll und das verbliebene Duo hat „FERT5CH“. MTS sind mit uns gemeinsam in die Jahre gekommen. Die Kabarett-Kneipe der Brüder Hengstmann ist proppevoll, als wir eintreffen. Vor einer Säule, und bei einem netten Paar, finden wir Platz zum Hören und Sehen. Der Gastraum begeistert mit gemütlichem Ambiente, einer Gastlichkeit, wie man sie heute nur noch selten vorfindet. Wenn dann noch zwei Ulk-Nudeln in Gestalt von Thomas Schmitt und Frank Sültemeyer das kleine Podest betreten, sind fast alle Wünsche erfüllt. Dann is’ nämlich „FERT5CH, da wächst nüscht mehr“, meint Erich Schmitt’s Sohn und singt vom „Renovieren mit Krankenschein“. Anschließend erläutert er noch, dass ein One Night Stand eigentlich eine Stichprobe sei und dann tobt die Hütte. Mein Zwerchfell krampft, denn sogleich folgen Limericks und Lebensweisheiten en gros, bis die ersten Tränen fließen. Thomas und Frank sind in Höchstform. Sie lassen die klassischen „Zehn bösen Autofahrer“ zu „Zehn kleinen Genießern“ mutieren, sie üben mit uns „Betreutes Singen“ (und Jodeln) und sie animieren alle, nach jedem ihrer Lieder laut „FERT5CH“ zu skandieren. Thomas erklärt wortreich und singend „Meine Diät“ (Lauft ihr nur immer den Trimmpfad lang, ich hab's gemütlich und trink mich schlank) und als er vom Klassentreffen zu berichten weiß, erinnere ich mich an meines, eine Woche zuvor: „Es kommen diesmal weniger, doch das ist okay, ein paar sind schon für immer fort, statt Schnaps trinkt mancher Tee.“ Während Frank, mit Keyboard und Gitarre, eher den stillen, ironischen Beobachter von der Seite spielt, lotet Thomas das ganze Spektrum zwischen Erzähler, Wortakrobat, Sänger und zuweilen auch Tänzer fulminant aus. Beide werfen sich die Einsätze um die Ohren und wir im Raum kommen dann mit dem Lachen und Brüllen kaum hinterher. Zuweilen fühle ich mich in eine Freuden- und Lachgemeinschaft versetzt. Inzwischen beginnt mein Zwerchfell, sich zu verkrampfen. Ich bin es nicht mehr gewöhnt (das Leben bietet auch nicht mehr so viele Gelegenheiten), herzhaft zu lachen. Doch es geht Schlag auf Schlag weiter, ein Klassiker folgt dem nächsten. Thomas erinnert an seine Mitstreiter Herbert Treichel und dessen Melodei vom „Schönsten Platz an der Apotheke“ sowie an Mike Schafmeier, den „allerletzten Kunden“, von dem sie aber „Spinne im Amt“ singen. Der „letzten Kunde“ ist letztlich mit Mike in den Himmel abgetreten, erklärt Thomas. Das Duo pendelt zwischen den bekannten Oldies wie der „Ballade vom Förster und seiner sensiblen Tochter“ und jener „In Blech“ sowie der neueren Story vom „Stammtisch“ oder der längst überfälligen Feststellung „Das hab‘n wir uns verdient. Zwischendurch ballern beide wieder eine Ladung Limericks in den Raum. Mein Zwerchfell spricht mir inzwischen eine heftige Verwarnung aus, während die auf dem Podium an Ulrich Roski mit „Aufforderung zum Tüff“ und Otto Reuter, leicht verändert, mit „Nehm’ se’ne Alte“ gedenken. Da kann mein Zwerchfell durchatmen, ehe Frank mit der Geschichte vom „Hund auf dem Friedhof“, und beide mit noch mehr Witzen, wieder voll meine Magengegend treffen: „Kommt ’ne Frau zum Arzt“ oder was Gendern in Sachsen bedeutet. Jede Zeile, jedes Wort und jede Geste der beiden Spaßjongleure sind dem prallen Leben abgelauscht oder dem Volk vom Maul abgelesen, ohne dabei nur ein einziges Mal unter die Gürtellinie zu greifen. Respekt, meine Herren, wir in Hengstmanns Kneipe sind jedenfalls total aus dem Häuschen, saugen jede Pointe, wie ein trockener Schwamm die Nässe, auf! Zu vorgerückter und zwerchfellerschütternder Stunde prasseln dann nur noch Klassiker und Wünsche ins Publikum: „Ein Pferd wie Du und ich“, „Daggi“, „Tamara“ sowie die neue Version der „Zehn bösen Autofahrer“. So textsicher, begeistert sowie beseelt ein Publikum mitsingend, erlebte ich bisher nur bei live gebotenen Gundermann- und Cäsar-Liedern. Wir fühlen viele pure Gänsehautmomente und dass Frank seine ganz persönliche Version von Dr. Hook’s „Cover Of The Rolling Stone“ mit deutschem Text dazwischen schiebt, empfinde ich genial und überaus gelungen. Jawoll, beide Herren MTS gehören endlich einmal auf eine Titelseite fragt sich nur, auf welche? - Was soll’s, kein Titelblatt kann jemals widerspiegeln, was ein Konzerterlebnis von MTS ausmacht, wie es die Lebensgeister befeuert, Humor aufleben und die Gemeinschaftsgefühle aufblühen lässt. Von den frechen, treffenden sowie ironischen Seitenhieben in Richtung gesellschaftlicher und politischer Blasen mal völlig abgesehen. Darin sind sie hierzulande einmalig und noch immer jede Fahrt, durch Nässe, Nebel und Dunkelheit, wert. Noch gibt es einige Gelegenheiten und wenn ich Thomas richtig verstanden habe, schließt er weitere Auftritte nicht grundsätzlich aus (falls sie irgendwo ein Publikum nachhaltig einfordert). Also fordert laut - erst dann ist FERT5CH!